25. März 2020
Corona-Krise - Werden einmalige Kaufgelegenheiten entstehen? Und wenn ja, wann?
Das ist eine Frage, die im Moment viele Anleger umtreibt. Wir alle wissen, dass die Börsen lange Zeit sehr hoch bewertet waren und wir alle hoffen, dass wir nun endlich die Gelegenheit erhalten, Aktien zu Ausverkaufspreisen zu erwerben. Insgeheim hofft jeder Kapitalanleger, dass sich DIE einmalige Kaufgelegenheit seines Lebens ergeben wird.
Nur, wann ist es soweit? Und wie erkennen Sie diese Situation?
Ich versuche mal, Ihnen zu beschreiben, wie ein ideales Kauf- Umfeld ausschaut.
Die besten Gelegenheiten ergeben sich, wenn sich auf gut Deutsch gesagt, keine Sau mehr für Aktien interessiert.
Das ist immer dann der Fall, wenn man mit Aktien während vieler Jahre per Saldo einfach kein Geld mehr verdienen konnte (gilt für alle Anlageklassen). Das sind lange, mühsame Phasen wo die Aktienkurse mal erheblich zulegen, nur um anschliessend wieder ins Bodenlose abzusacken.
Dauert diese Phase lange genug, brennt sich die Erfahrung ins kollektive Anlegergedächtnis ein. Irgendwann verliert man die Geduld und auch der letzte Optimist kapituliert. Als Folge davon fallen die Bewertungen auf geradezu grotesk tiefe Niveaus.
Warren Buffett etwa beschreibt in seiner Biographie „The Snowball“ dass er in den 50er-Jahren Aktien kaufen konnte mit KGVs von 1 (ja, Eins)! Sein Mentor Benjamin Graham hat in seinem Klassiker „The Intelligent Investor“ empfohlen, Aktien zu suchen, deren Börsenwert tiefer ist, als das Nettoumlaufvermögen (kurzfristige Guthaben abzüglich kurzfristige Schulden)! Das war nach der grossen Depression und dem Zweiten Weltkrieg. Mit der Aktienanlage hat sich damals aufgrund der sehr negativen Erfahrungen kaum mehr jemand beschäftigt.
Die 70er-Jahre waren geprägt durch eine extreme Volatilität, die Börsen kamen per Saldo nicht vom Fleck, man konnte kaum Geld verdienen. Es war ein sehr schwieriges Jahrzehnt, der Goldstandard wurde aufgehoben und es herrschte hohe Inflation.
Die extrem schlechte Stimmung an den Börsen hat das US-Wirtschaftsmagazin Businessweek aufgenommen. Es hat in seiner Ausgabe vom 12. August 1979 folgender Titel gesetzt: „The Death of Equities – How Inflation Is Destroying the Stock Market“. Es wurde also, quasi offiziell, der Tod der Aktienanlage bekanntgegeben.
Solche Situationen, meine lieben Dividendenfreunde, bieten einmalige Kaufgelegenheiten. Doch davon sind wir noch sehr weit entfernt.
Aus heutiger Optik erscheint es unmöglich, dass wir jemals wieder in eine solche Phase treten.
Doch die Geschichte wiederholt sich oft, weil sich unsere Psyche wohl nie ändert. Wir extrapolieren vergangene Ereignisse gerne in die Zukunft. Im Moment überwiegen noch immer die positiven Erfahrungen der letzten Jahre.
Doch das könnte sich ändern. Sollten die Corona-Auswirkungen eine lange Phase mit per Saldo abbröckelnden Aktienpreisen einläuten, könnten wir am Ende mit Bewertungen dastehen wie Ende der 70er-Jahre.
Ob es tatsächlich dazu kommt, weiss ich nicht. Es ist möglich, aber bei Weitem nicht sicher. Falls doch, wird es nicht innerhalb weniger Monaten ablaufen. Bis sich das aktuell vorherrschende Narrativ der Marktteilnehmer ändert, werden einige Jahre vergehen. Erst wenn die Stimmung vollkommen am Boden ist und niemand mehr etwas von der Aktienanlage wissen will, sind wir soweit.
Als Anleger müssen wir uns aber möglichst auf jede Eventualität einstellen und positionieren. Einfach zu warten, bis vielleicht die ideale Kaufgelegenheit kommt, ist sicher keine Option.
Sollte die weitere Wirtschaftsentwicklung U-förmig verlaufen, ist die Wahrscheinlichkeit recht gross, dass wir den Boden noch nicht gesehen haben und in den kommenden Monaten teilweise sehr billige Aktien kaufen können. Danach werden sich die Märkte vermutlich innerhalb der folgenden 12-18 Monaten massiv erholen.
Das sind dann zwar keine „once-in-a-lifetime“ Gelegenheiten, aber wenn Sie es richtig angehen, können Sie die Basis für eine sehr starke Gesamtrendite legen.
Wenn Sie sich auch für den Fall einer völligen Neubewertung der Aktienmärkte wappnen möchten, bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als einen Teil Ihres Kapitals in bar zu halten. Im Fall einer U-förmigen Erholung können Sie dann halt nicht optimal profitieren, haben aber dafür Munition für den totalen Ausverkauf.
Risikoreicher, aber sehr interessant, ist die Alternative, anstelle von Bargeld Gold zu halten. Diese Anlageklasse müsste angesichts der noch nie dagewesenen Gelddruckorgien mindestens in den nächsten Monaten profitieren. Sie können das Gold physisch erwerben, einen geeigneten ETF kaufen, oder auch in Goldaktien investieren.
Sie sehen, es gibt leider keine Universallösung und auch keinen Gameplan, mit dem man garantiert die richtigen Entscheidungen treffen wird.
Es schadet aber sicher nicht, wenn man ungefähr weiss, wohin die Reise gehen könnte und sich eine Strategie zurechtlegt, um auch auf Extremszenarien vorbereitet zu sein.
Ich wünsche Ihnen sehr viel Erfolg beim Investieren, bleiben sie gesund und optimistisch!
Ihr Christian Pickel